Schwarzarbeiter oder "neuer Selbständiger"?
Der Kläger verfügte über eine Gewerbeberechtigung für das Baumeistergewerbe, eingeschränkt auf ausführende Tätigkeiten, beschränkt auf die Ausführung von Innen- und Außenputz-, sowie Vollwärmeschutz-Arbeiten. Bei Sanierungsarbeiten an einer Stützmauer stürzte er mit seinem Mini-Bagger ab, in der Folge musste ihm sein rechtes Bein im Bereich des Oberschenkels amputiert werden. Die Sanierungsarbeiten waren nicht von der Gewerbeberechtigung des Klägers umfasst, der Kläger führte allerdings bereits viele Jahre derartige Arbeiten aus.
Die AUVA verwehrte dem Kläger in der Folge die Leistung einer Versehrtenrente aus Arbeitsunfall, da der Kläger für die Arbeiten, bei denen er verunfallt sei, keine Gewerbeberechtigung gehabt und dementsprechend auch kein Arbeitsunfall vorgelegen habe.
Unfallversicherungsschutz bei Überschreiten der Gewerbeberechtigung?
Der Kläger ging gegen diese Entscheidung erfolgreich gerichtlich vor: Strittig war im Gerichtsverfahren im Wesentlichen die Frage, ob der Kläger – neben der Pflichtversicherung als Gewerbeinhaber gem. § 2 Abs 1 Z 1 GSVG – zusätzlich auch einer Pflichtversicherung als „neuer Selbständiger“ gem. § 2 Abs 1 Z 4 GSVG unterliegen könne. Die AUVA stand diesbezüglich auf dem Standpunkt, dass die Pflichtversicherung als Gewerbeinhaber eine weitere Pflichtversicherung ausschließe.
Nachdem bereits das Erst- wie auch das Berufungsgericht der Klage folge gaben, bestätigte nun schlussendlich auch der OGH die Leistungspflicht der AUVA für den erlittenen Unfall. Zuvor unterbrach der OGH jedoch das anhängige Revisionsverfahren, um im Verfahren in Verwaltungssachen rechtskräftig klären zu lassen, ob der Kläger zum Unfallzeitpunkt für die Arbeiten, die über die Gewerbeberechtigung hinausgingen, als „neuer Selbständiger“ der Pflichtversicherung unterlag oder nicht. Dies wurde bestätigt, womit der Kläger zum Unfallzeitpunkt auch in der Unfallversicherung nach dem ASVG teilversichert war. Vor diesem Hintergrund bestätigte der OGH die Leistungspflicht der AUVA. Selbst der ohne Gewerbeschein selbständig erwerbstätige „Schwarzarbeiter“ könne als „neuer Selbständiger“ der Pflichtversicherung unterliegen und damit gem. ASVG unfallversichert sein. Selbiges müsse dann wohl auch für den Selbständigen gelten, der seine Gewerbeberechtigung überschreite.
Die Entscheidung des OGH war auf Basis der festgestellten Pflichtversicherung des Klägers nicht nur als Gewerbeinhaber, sondern auch zusätzlich als „neuer Selbständiger“, folgerichtig. Es wäre wohl äußerst vermessen, den Kläger einerseits mit den Einkünften, die er außerhalb seiner Gewerbeberechtigung erzielt, der Pflichtversicherung als neuer Selbständiger zu unterwerfen, ihm andererseits aber Leistungen aus dieser Pflichtversicherung zu verwehren.
Daraus, dass der Rechtsstandpunkt der AUVA etwas weit hergeholt war, macht auch der OGH keinen großen Hehl und hält abschließend fest, dass es nicht Sache der Rechtsprechung sei, „… eine in der Praxis allenfalls als unbefriedigend empfundene Regelung des Gesetz- oder Verordnungsgebers zu korrigieren oder im Wege der Rechtsfortbildung Gedanken in Regelungen zu tragen, die darin nicht enthalten sind.“
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