Pflegedilemma – Kostenexplosion, aber weniger pflegende Angehörige

 

Auch im neuen Regierungsprogramm werden potenzielle Weichenstellungen zur langfristigen Sicherstellung der Pflegefinanzierung wieder sehr ausführlich aufgegriffen. Der Fokus wird dabei auf die für die Staatsausgaben günstigste Form gelegt. Es werden Maßnahmen zur stärkeren Förderung von pflegenden Angehörigen wie etwa eine Erhöhung des Pflegegeldes ab der Stufe 4 und bessere organisatorische und psychische Unterstützungsleistungen angedacht. Im Jahr 2018 wurden 95.100 Personen in kostspieligen Pflegeheimen bzw. vergleichbaren Einrichtungen untergebracht, insgesamt bezogen 454.805 Personen in Österreich Pflegegeld.

 

Die Prognosen für die Zukunft sind äußerst düster. Die Statistik Austria rechnet für über 80-jährige Personen, bei welchen häufig ein Pflegebedarf auftritt, mit fast einer Verdreifachung der Fälle bis zum Jahr 2060 auf dann 1,1 Millionen Menschen in Österreich. Besonders problematisch in diesem Zusammenhang: Die Personengruppe zwischen 50- und 64-Jährigen, die typischerweise private Pflege für die meist eigenen Angehörigen leistet, schrumpft. Im Jahr 2020 kommen noch 4 potenziell pflegende Angehörige auf einen über 80-Jährigen, im Jahr 2060 werden es nur noch 1,6 Personen sein. Damit steigt auch der Bedarf an professionellem Pflegepersonal und der damit verbundene Kapitalbedarf für pflegebedürftige Personen massiv.

 

Wer soll das bezahlen?

Der im Februar 2020 veröffentlichte Bericht des Rechnungshofes beziffert die Gesamtkosten in Österreich für den Pflegebereich im Jahr 2016 auf rund 7,9 Milliarden Euro. Die mit Abstand größten Brocken dabei sind 3,4 Milliarden Euro für Pflegeheime und 2,7 Milliarden Euro für das Pflegegeld. Bezahlt werden diese Aufwendungen zu jeweils rund 37 Prozent vom Bund und von privater Seite (zB. Eigenbeiträge zu Pflegedienstleistungen und Heimkosten) und zu 26 Prozent von Ländern und Gemeinden. Das Finanzministerium rechnet in der Budgetprognose von 2019 mit einer Steigerung der Pflegekosten von 2020 bis 2035 um 50 Prozent von derzeit 1,6 auf 2,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

 

Der Vorschlag, für diese stark steigenden Ausgaben eine eigene gesetzliche Pflegeversicherung einzuführen, scheint zumindest in der angedachten Form nicht machbar. Diese neue Versicherungssparte hätte entweder in der gesetzlichen Unfall- oder Krankenversicherung ohne Beitragserhöhungen für die Versicherten etabliert werden sollen. Nach den jüngsten sehr düsteren Budgetprognosen der gesetzlichen Krankenversicherungsträger scheint eine neue Mehrbelastung an Leistungen ohne neue Beiträge nicht realistisch. Unabhängig von der langfristigen Finanzierungsproblematik wird kurzfristig der aktuelle Streit zwischen Bund, Ländern und Gemeinden über die Kostenaufteilung intensiv fortgeführt werden.

 

Budgetentlastung über Pflege zu Hause

 

Laut Erhebung des Rechnungshofes kostet ein Monat in einem Pflegeheim für eine Person in der Pflegestufe 4 österreichweit sehr unausgewogen durchschnittlich zwischen 2.896 Euro in Salzburg und 4.368 Euro in Wien. In den seltensten Fällen reicht das Einkommen bzw. die Pension des Betroffenen aus, um diese Kosten zu decken. Es sind daher massive Zuzahlungen aus Steuergeldern notwendig. Wird dagegen eine Person der Pflegestufe 4 zu Hause betreut, kommt die öffentliche Hand mit einem monatlichen Pflegegeldaufwand von 689,80 Euro verhältnismäßig kostengünstig davon.

 

Für den nicht stationär versorgten Pflegebedürftigen geht die Rechnung allerdings leider nicht auf. Die Pflegestufe 4 setzt einen zeitlichen Betreuungsaufwand von mindestens 160 Stunden pro Monat voraus. Die Abgeltung aus dem Pflegegeld dafür (689,80 Euro) entspricht einem Stundenlohn von höchstens 4,31 Euro. Auch wenn die Regierung eine Erhöhung plant, um die Pflege von nahen Angehörigen attraktiver zu machen: Eine adäquate Entlohnung für ein Familienmitglied, oder gar eine annähernde Kostendeckung für professionelles Personal wird sich nicht einmal ansatzweise ausgehen. In diesem Zusammenhang taucht im täglichen Leben ein meist stark unterschätztes Risiko auf. Weil ein Elternteil oder gar ein Kind plötzlich pflegebedürftig ist, muss die eigene Arbeitszeit drastisch reduziert oder der Job gar zur Gänze aufgegeben werden.

 

Nachstehend finden Sie die wichtigsten Zahlen zum Pflegegeld:

 

Pflegestufe

Pflegebedarf in Stunden pro Monat mindestens

Pflegegeld in Euro monatlich 2020

Anzahl Pflegegeld-bezieher 2018

Gesamtaufwand 2018 in Millionen Euro

1 65

160,10 €

125.359

240,84 €

2 95

295,20 €

100.290

355,27 €

3 120

459,90 €

82.471

455,14 €

4 160

689,80 €

66.407

549,69 €

5 180

936,90 €

51.208

575,72 €

6 180 *

1.308,30 €

19.758

310,19 €

7 180 *

1.719,30 €

9.312

192,12 €

Summe    

454.805

2.678,97 €

Durchschnittlich 2018 pro Monat

490,86 €

   

 

* zusätzlich zu 180 Stunden Pflegeaufwand weitere Auflagen

Quelle: Pensionsversicherungsanstalt

 

 

Tipp – rechtzeitig vorsorgen

Die Finanzierung der Pflegekosten stößt immer mehr an seine Grenzen, wie auch die Anzahl der verfügbaren Heimplätze. Bei diesem Thema gilt es aber nicht nur Vorsorgemaßnahmen für sich selbst abzuwägen, sondern sich generell in der gesamten Familie auf derartige Szenarien vorzubereiten. Das reicht von Schicksalsschlägen bei den eigenen Kindern bis zur Pflegebedürftigkeit der Eltern.

 

Die Möglichkeiten sich gegen derartige Szenarien finanziell abzusichern sind äußerst vielseitig. Sie reichen vom gezielten Kapitalaufbau über private Kranken-, Unfall-, Berufsunfähigkeits- bis zu eigenen Pflegeversicherungen. Sehr gerne planen wir auf Basis Ihrer individuellen Situation und Wünsche ein maßgeschneidertes Vorsorgekonzept für Sie.

 

Datenquelle: Pensionsversicherungsanstalt, Rechnungshof, Statistik Austria

 

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