Beim Vererben nicht auf die gesetzlichen Regelungen verlassen

 

Trotz einiger Adaptierungen im Laufe der letzten Jahrhunderte ist das gesetzliche Erbrecht in Österreich immer noch stark auf die gesellschaftlichen Grundwerte aus dem Ursprungsjahr des Regelwerks von 1811 aufgebaut. Hat beispielsweise ein heuer Verstorbener 40 Jahre mit seiner Lebensgefährtin im gemeinsam errichteten Haus glücklich und kinderlos zusammengelebt, würde seine Partnerin nach dem gesetzlichen Aufteilungsschema gegenüber einem weitschichtigen Verwandten komplett leer ausgehen. Die im 18. Jahrhundert äußerst relevante Blutsverwandtschaft sticht hier die im 20. Jahrhundert übliche Lebensgemeinschaft schlichtweg aus.

 

Mit der Erbrechtsreform 2017 wurden die rechtlichen Anspruchsmöglichkeiten für Lebensgemeinschaften grundsätzlich zwar gestärkt, tatsächlich in vollen Zügen wirksam begünstigt werden kann ein außerehelicher Partner allerdings nur dann, wenn ein Testament errichtet wird. Sich rechtzeitig mit einer gezielten Vererbung seines Vermögens auseinanderzusetzen lohnt grundsätzlich in jeder Lebenslage und in jedem Alter. Neben dem klassischen Testament sind hierfür auch Lebensversicherungen mit einigen besonderen Vorteilen geeignet.

 

Kreis der Pflichtteilsberechtigten wurde kleiner

 

Seit der Erbrechtsreform zählen nur noch Kinder und deren Nachkommen (Enkel, Urenkel) und der Ehepartner zu pflichtteilsberechtigten Personen. Den Eltern wurde dieser Status inzwischen genommen. Wer also keine Kinder hat und nicht verheiratet ist, kann mittels Testament völlig beliebig über sein Erbe bestimmen. Kinder und Ehepartner dagegen können nur unter ganz besonderen Umständen (zB. schwere Straffälligkeiten) von einem Mindestanteil am Erbe ausgeschlossen werden. Eine individuelle bzw. willkürliche Reduktion in der Aufteilung kann allerdings vorgenommen werden.

 

Beispiel

Ehepaar mit einem 1 Kind (5 Jahre), Vater verstirbt und hinterlässt ein Vermögen von 90.000 €.

 

Gesetzliche Erbfolge (ohne Testament):

1/3 für die Mutter (= 30.000 €), 2/3 für das Kind (= 60.000 €).

 

Mittels Testament kann der gesetzliche Erbanteil eines Pflichtteilsberechtigten um 50 Prozent herabgesetzt werden. Bei minderjährigen Kindern ist das ernsthaft anzudiskutieren, weil das vererbte Vermögen bis zur Volljährigkeit de facto „eingefroren“ wird und der hinterbliebene Elternteil möglicherweise in finanzielle Schwierigkeiten kommt.

 

Die testamentarische Pflichtteilsbeschränkung im gegenständlichen Beispiel würde den Erbanteil des minderjährigen Kindes von 60.000 € um 50% auf 30.000 € reduzieren: Jenen der Mutter oder theoretisch natürlich auch anderen namhaft gemachten Erben entsprechend erhöhen.

 

Vererben mittels Lebensversicherungen

 

Wer eine Lebensversicherung abschließt wird bereits beim Vertragsabschluss mit der Frage konfrontiert, wer das Geld im Ablebensfall erhalten soll. Vom Prinzip her entspricht das der isolierten Errichtung eines Testaments für diesen konkreten Vertrag bzw. einer weiteren, ergänzenden letztwilligen Verfügung in Kombination mit einem „allgemeinen“ Testament.

 

Großer Vorteil einer Lebensversicherung: Die Auszahlung erfolgt sofort nach Vorlage der Sterbeurkunde direkt durch die Versicherung an die im Vertrag genannten Personen (es können auch mehrere gewählt und die prozentuelle Aufteilung individuell festgelegt werden). Die Erben müssen somit kein möglicherweise sehr langwieriges und durch etwaige innerfamiliäre Differenzen geprägtes Verlassenschaftsverfahren durch den Notar abwarten.

 

Sollte der Abschluss eines Lebensversicherungsvertrags schon viele Jahre zurückliegen, sollte unbedingt überprüft werden, ob die namentlich begünstigte Person auch noch den aktuellen Wünschen entspricht. Falls beispielsweise der Ex-Partner noch als Leistungsempfänger aufscheint, ist die Versicherung verpflichtet auch an diesen zu leisten. Das wird im Regelfall nicht im Interesse des Verstorbenen gewesen sein. Dadurch sind oft mühsame Gerichtsverfahren von den vermeintlich tatsächlich zu bedienenden Erben zu führen. Ist die in der Versicherungspolizze begünstigte Person bereits selbst verstorben oder kein potenzieller Erbe genannt, fällt die Versicherungspolizze wie alle anderen Vermögenswerte auch in die Abhandlungstätigkeit des Notars.

 

Pflichtteilsforderungen gelten auch für Lebensversicherungsleistungen

 

Sollte der Verstorbene zu Lebzeiten bereits Vermögen (z.B. Geldwerte oder Immobilien) auf eine pflichtteilsberechtige Person (Kind oder Ehepartner) übertragen haben, sind diese Zuflüsse bei der Berechnung von Pflichtteilsansprüchen zu berücksichtigen. Das gilt auch für sämtliche Leistungen aus Lebensversicherungen, die im Prinzip wie Schenkungen in die Berechnung einfließen. Die Kapitalauszahlung erfolgt jedoch nicht über den Notar, sondern direkt nach Vorlage der Sterbeurkunde durch die Versicherung.

 

Beispiel

Verstorbener hinterlässt 2 Söhne.

Es gibt eine Lebensversicherung mit einer Auszahlungssumme von 100.000 €, begünstigte Person ist Sohn A. Keine weiteren Vermögenswerte.

 

Sohn A erhält nach Vorlage der Sterbeurkunde die Kapitalleistung von 100.000 € direkt von der Versicherung überwiesen. Wenn der zuständige Notar nicht in Erfahrung bringt, dass es diese Versicherung gegeben hat, könnte Sohn A unrechtmäßig den vollen Betrag behalten.

 

Sohn B weiß allerdings, dass sein Vater beim Versicherungsunternehmen XY einen Vertrag hatte. Er fordert den Notar auf, bei der Versicherung nachzufragen - diese ist auskunftspflichtig. Der Erbanspruch von Sohn B ist 50% des Vermögens, davon die Hälfte als Pflichtteil, somit 25% bzw. 25.000 €. Sohn B kann nun gegenüber Sohn A die Zahlung seines Pflichtteilanspruchs verlangen.

 

Tipp – Erstellen Sie ein Testament und nutzen Sie gezielt die Vorteile von Lebensversicherungen

Nur selten passt die gesetzlich vorgegebene Erbfolge auch zu den potenziellen Wünschen eines Verstorbenen bzw. deckt die Bedürfnisse der Hinterbliebenen optimal ab. Die Erstellung eines Testaments ist keinesfalls nur für ältere Personen mit namhaften Vermögen eine wichtige Sache. Speziell für Lebensgemeinschaften, bei Immobilienbesitz oder bei minderjährigen Kindern ist es sinnvoll, auch in jungen Jahren schon letztwillige Verfügungen zu errichten. In diesem Zusammenhang ist es auch sehr wichtig etwaige Lücken im Haushaltsbudget bei Ableben des Partners oder Pflichtteilsforderungen von Kindern zu sichten und über entsprechende Absicherungslösungen (Lebensversicherungen) nachzudenken.

 

Sehr gerne unterstützen wir Sie bei der Planung von maßgeschneiderten Absicherungslösungen für ihre individuelle familiäre Situation. Und überprüfen mit Ihnen gemeinsam, ob bei bestehenden Verträgen noch die Ihren Wünschen entsprechenden Personen für Leistungen im Ablebensfall namhaft gemacht sind.

 

Für die Erstellung eines Testaments empfehlen wir Ihnen eine Beratung bei einem Notar oder bei einem Rechtsanwalt.

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